Schön wär’s, hätte ich „in einer Halle“ gelesen, wie man den Titel interpretieren könnte. Über Halle kommt nur noch Stadion und dann ist Weltrekord und Mario Barth. Und auch wenn ich ungern mit Mario in einen Sack gesteckt würde, klingt das in Sachen Ruhm und Kohle natürlich nicht völlig unattraktiv. Aber in Halle gelesen hab ich am 18.10.2012. Und zwar bei den Fritzen, den alten Fritzen sozusagen. Deren Haus wiederum steht in Halle, ist groß wie eine Halle und war nach dem Mauerfall nahezu problemlos wieder zu bekommen, da die S!Friedericiana niemals aus dem Grundbuch ausgetragen worden war.
Als weitere Besonderheit liegt neben dem Fritzenhaus der Fritzengarten – ein im Sommer bewirtschafteter, öffentlicher Biergarten, in dem man im Herbst und Winter prima parken kann. Trotzdem stelle ich mir das seltsam vor, wenn da draußen im Sommer die AntiFa tagt und „Burschen raus!“ fordert, während drinnen die Sänger „Burschen heraus!“ singen. Aber is ja Herbst und deswegen kann ich im Garten parken, was praktisch ist.
Die Verbandsbrüder empfangen mich freundlich, auch wenn es sich bei diesen Sängern fast um Corpsstudenten handeln könnte. Fast alle tragen mindestens Jackett, mindestens einer hat das Gesicht voll frischer Schmisse und hinter dem Tresen hängt ein Spiegel mit der Aufschrift „Hängt!“. Es wird also anscheinend hier rege gefochten und auch mal alleine das Schnellschlucken trainiert. Später erfahre ich, dass tatsächlich ein Verbandsbruder Fridericianae ein ehemaliger Corpsstudent ist, der (Achtung!) in seinem Corps nicht so viel fechten durfte, wie er gerne wollte und die Schmisse im Gesicht von seiner (wenn ich mich recht entsinne) 32. Partie davon getragen hatte. Das mag jetzt etwas vereinfacht dargestellt sein, aber so ähnlich muss es sich wohl verhalten.
Zur Lesung schreitet man hier natürlich erst nach einigen vorwärmenden Bieren. Trotzdem steht auf meinem Lesetisch eine Wasserkanne und ein Glas. Ich werde hysterisch. Kanne und Glas sind schlimmstes Klischee des Literaturestablishments. Zum Glück lässt sich beides im Handumdrehen gegen ein Bier austauschen. Die Lesung beginnt „nicht ohne zuvor…“.
Anscheinend mache ich meine Sache ganz gut, denn nach der Lesung gehen die Bücher weg wie warme Semmeln. Sowohl die „Männer-WG mit Trinkzwang“ als auch die paar mitgebrachten Poetry-Slam-Textsammlungen aus eigener Feder. Ein paar davon passen nämlich auch ganz gut zur eigentlichen Lesung. Ich beschränke mich im Nachfeld auf nur zwei Bierjungen und löffele mich ansonsten eher allmählich. Die Erkältung ist noch nicht auskuriert, die (außerkorporative) Party morgen in Berlin wird bis 7 Uhr morgens gehen – was ich zwar noch nicht weiß, was aber trotzdem so sein wird – und der Husten wird mich wohl noch bis zur nächsten und übernächsten Lesung begleiten, die am 26. und 27.10. in Heidelberg und Darmstadt geplant sind – diesmal wirklich bei Corpsstudenten. Und da die letzteren jetzt so oft erwähnt waren, schließe ich mit einer lustigen Idee der Hallenser Currys, auch wenn ich die schonmal bei Facebook gepostet hatte…einfach zu schön.